Nach den neuen Regelungen für Hinterbliebenengeld in § 10 Abs. 3 StVG und § 844 Abs. 3 BGB steht den Hinterbliebenen einer zu Tode gekommenen Person unter bestimmten Ansprüchen ein Anspruch auf eine angemessene Entschädigung für das ihnen zugefügte seelische Leid zu. In seiner Entscheidung vom 23.02.2021 (Aktenzeichen: 7 U 149/20) hat sich das OLG Schleswig mit der Höhe dieses Anspruchs befasst.
Der Sachverhalt
Die Klägerin machte Ansprüche auf ein Hinterbliebenengeld in Höhe von 10.000,- € gegen Haftpflichtversicherung eines Unfallbeteiligten geltend. Dieser hatte bei der Ausfahrt von einem Parkplatz den vorfahrtsberechtigten Vater der Klägerin, der noch an der Unfallstelle verstarb, übersehen.
Erst eine Woche nach dem Unfall, der sich kurz vor Weihnachten ereignet hatte, wurde die Klägerin von der Polizei über den Tod des Vaters informiert. Zu Ihren Vater hatte sie ein gutes und enges Verhältnis und eigentlich war angedacht, dass sie gemeinsam das anstehende Weihnachtsfest verbringen. Sie verfügte über sämtliche Vollmachten des Vaters und war erste Ansprechpartnerin für ihn, wenn es etwas zu regeln gab.
Nach dem Unfalltod kümmerte sie sich um die Haushaltsauflösung und Beerdigung des Vaters. Da sie kurz vor dessen Tod eine neue Stelle angetreten hatte und sich noch in der Probezeit befand, konnte sie sich keine Zeit nehmen, den Verlust zu verarbeiten und zu trauern. Sie litt daher noch lange danach unter Schlafstörungen, begab sich deswegen allerdings nicht in ärztliche Behandlung, sondern versuchte diese selbst in den Griff zu bekommen.
Die Versicherung zahlte vorgerichtlich ein Hinterbliebenengeld in Höhe von 3.000,- €. Die Differenz in Höhe von 7.000,- € machte die Klägerin daher gerichtlich geltend.
In der ersten Instanz wurde der Klägerin ein Anspruch in Höhe von weiterer 3.500,- € zugesprochen. Erst vor dem OLG konnte sie mit Ihrem Anspruch in voller Höhe durchdringen, so dass die Beklagte Versicherung verurteilt wurde, an die Klägerin insgesamt weitere 7.000,- € zu zahlen
Die Entscheidung
Das Gericht ging in seiner Entscheidung davon aus, dass der in der Gesetzesbegründung genannte Betrag in Höhe von 10.000,- € keine Obergrenze für das Hinterbliebenengeld darstelle. Vielmehr handele es sich hierbei um eine Orientierungshilfe.
Wie beim Schmerzensgeld handele es sich auch bei dem Hinterbliebenengeld um einen Anspruch wegen sogenannter immaterieller Einbußen. Dieser Anspruch habe zum einen die Funktion, die erlittene Einbuße auszugleichen, zum anderen aber auch den Sinn, dem Betroffenen eine gewisse Genugtuung zuteil werden zu lassen.
Aufgrund des besonderen Näheverhältnisses der Klägerin zu ihrem verstorbenen Vater und der psychischen und seelischen Folgen, die sich mitunter in den bis zur Verhandlung andauernden Schlafstörungen manifestierten, hielt der Senat einen Betrag in Höhe von 10.000,- € für angemessen. Ferner waren hier die Umstände, wie die Klägerin von dem Unfalltod erfahren hatte, sowie ihren besonderen persönlichen Umstände, insbesondere ihre berufliche Situation, zu berücksichtigen, die sie daran gehindert haben, dieses Ereignis zu verarbeiten.