Sollten Sie sich aktuell in einem Sorgerechtsstreit befinden oder droht Ihr Partner damit, Ihnen das Sorgerecht entziehen zu lassen, hier die wichtigste Information vorab: In den allermeisten Fällen besteht überhaupt kein Grund zur Panik. Auf der anderen Seite ist es nach meiner Erfahrung aber auch so, wie der Volksmund sagt, dass ein sich selten Hund alleine beißt. Und diese Redewendung passt leider sehr oft bei Fällen mit Bezug zu vermeintlichem Narzissmus. Denn auch, wenn man den Verdacht hat, Opfer von Narzissmus geworden zu sein, gehören zu einem Streit immer zwei.
Inhaltsverzeichnis:
Ich stelle keine Diagnose
Bevor hier Missverständnisse auftreten, möchte ich vorweg schicken, dass ich bei Fällen im Zusammenhang mit Narzissmus immer wieder nur von vermeintlichen Narzissten oder vermeintlichen Opfern spreche. Ich möchte damit niemandem absprechen, tatsächlich Opfer von Narzissmus geworden zu sein. Vielmehr hat dies den Hintergrund, dass ich die betreffende Person, von der die Mandanten annehmen, es handele sich um einen Narzissten, zum einen gar nicht kenne. Zum anderen bin ich aber auch kein Psychologe und kann mir daher kein Urteil anmaßen. Zudem spielt die Frage, ob hier tatsächlich ein Fall von Narzissmus vorliegt, in so gut wie keinem Fall eine Rolle.
Sollten Sie beabsichtigen, mich wegen eines vermeintlichen narzisstischen Missbrauchs zu kontaktieren, werde ich Ihnen all das gewiss auch noch einmal sagen. Ich schreibe das allerdings hier, weil ich den Eindruck habe, dass diese Erkenntnis bei vielen Mandanten zu einer sehr heftigen Ernüchterung führt, der ich gerne vorbeugen möchte.
Der Sorgerechtsstreit
Die allermeisten Fällen mit Narzissmusverdacht spielen sich im Bereich des Familienrechts ab. Dabei geht es oft um Fragen des Sorgerechts für die Kinder.
Zu unterscheiden ist hierbei zwischen Aktiv- und Passivprozessen, je nachdem, ob das vermeintliche Opfer von Narzissmus das alleinige Sorgerecht begehrt oder es ihm streitig gemacht wird. In beiden Fällen herrschen nach meiner Erfahrung jedoch vollkommen falsche Vorstellung, ob und wie man ggf. an das begehrte Ziel gelangt.
Droht der Verlust des Sorgerechts?
Die Hürden für den Verlust des Sorgerechts sind sehr hoch. Aus diesem Grund besteht, wie bereits eingangs erwähnt, in den allermeisten Fällen, bei denen zwischen den Kindeseltern das Sorgerecht in Streit steht, kein Grund zur Panik. Vielmehr müssen Sie sich, wenn Sie den Verdacht haben, dass Sie Opfer von Narzissmus geworden sind, vergegenwärtigen, dass die Drohung Ihres Partners, Ihnen das Sorgerecht entziehen zu lassen, nichts weiter ist, als ein erneuter Manipulationsversuch.
Gleichwohl ist es auch in diesen Passivfällen ratsam, sich frühzeitig anwaltlicher Hilfe zu bedienen, zum einen, um hier nicht selbst mit dem anderen Elternteil kommunizieren zu müssen, zum anderen aber auch, um die Kommunikation auf eine sachliche Ebene zu heben.
Anwaltswechsel in laufenden Verfahren?
Ist bereits ein Gerichtsverfahren anhängig, erreichen mich häufig Anrufe, weil Mandanten mit der Arbeit der Kollegen nicht zufrieden sind oder sie sich dort mit ihrem Verdacht, Opfer von Narzissmus geworden zu sein, nicht wahrgenommen fühlen. Wie ich aber bereits eingangs geschrieben habe, spielt die Frage, ob hier nun ein Fall von Narzissmus vorliegt oder nicht, so gut wie nie eine Rolle. Und auch wenn ich die emotionale Situation von Mandanten gut nachempfinden kann, so ist es doch die Aufgabe des Anwalts, die ganze Situation erst einmal auf eine sachliche Ebene zu bringen. Das mag auf den einen oder anderen kalt und unempathisch wirken, ist es aber nicht zwangsläufig. Das alleine wäre also nicht zwingend ein Grund, den Anwalt zu wechseln.
Hinzu kommt dabei oft, dass die Anrufer in dem jeweiligen Verfahren Verfahrenskostenhilfe in Anspruch nehmen. Hier käme ein Anwaltswechsel ohnehin nur in seltenen Ausnahmefällen in Betracht, so dass ich diese Mandate oft ablehnen muss. Für eine etwaige zweite Instanz sind Sie indes nicht an den vorherigen Kollegen gebunden, so dass hier wieder die Möglichkeit besteht, sich an mich oder einen anderen Kollegen zu wenden.
Familiengutachten – die Lösung des Problems?
Bei Aktivprozessen, wenn man also selbst das alleinige Sorgerecht begehrt, scheint nicht selten die Hoffnung zu bestehen, man müsse hier nur den Verdacht äußern, dass es sich bei dem anderen Elternteil um einen Narzissten handelt, und schon wird vom Gericht ein Gutachten eingeholt, das dann bestenfalls diesen Verdacht bestätigt. Dabei mag unterschwellig auch die Hoffnung mitschwingen, eine Bestätigung dafür zu erhalten, dass man mit der eigenen Einschätzung, Opfer von Narzissmus geworden zu sein, richtig liegt. Oft rührt die Unzufriedenheit mit dem mandatierten Anwalt gerade da her, dass er die Einholung eines solchen Gutachtens nicht beantragt. Allerdings können die Kollegen oft gar nicht anders handeln, da es so, wie sich manche Mandanten das vorstellen, nicht funktioniert.
Der Maßstab in Sorgerechtsverfahren ist vielmehr das Kindeswohl. Und dieses Kindeswohl ist nicht schon deshalb gefährdet, weil es sich bei einem Elternteil um einen vermeintlichen Narzissten handelt. Hinzu kommt aber auch, dass es sich bei dem Beweisangebot, ein solches Gutachten einzuholen, welches dann bestätigt (oder eben auch nicht bestätigt), dass es sich bei dem anderen Elternteil um einen Narzissten handelt, um einen sogenannten unzulässigen Ausforschungsbeweis handeln dürfte. Denn das Gutachten dient in einem solchen Fall eben gerade nicht dazu, eine Tatsache unter Beweis zu stellen, sondern nur einen Verdacht zu bestätigen. Es kann aber auch das genaue Gegenteil herauskommen.
Das richtige Vorgehen ist vielmehr, dass man genau darlegt, aus welchen tatsächlichen Gründen denn nun eine Kindeswohlgefährdung vorliegt, und dies auch unter Beweis stellt. Und hier fangen die Probleme dann häufig an. Denn zum einen ist dies eine unglaublich anstrengende und nervenaufreibende Millimeterarbeit, die von allen Beteiligten ein hohes Maß an Disziplin und Durchhaltevermögen abverlangt. Zum anderen erfordert es aber gerade von den vermeintlichen Opfern von narzisstischem Missbrauch ein Umdenken. Hier kommen wir auf die eingangs zitierte Redewendung zurück.
Eigenen Beitrag erkennen
Die Situation, die ich in vielen Fällen vorfinde, ist in etwa so, dass die Mandanten meinen, sie müssten wegen der Kinder in einem permanenten Austausch zu dem anderen Elternteil stehen. Wegen jeder Kleinigkeit wird telefoniert oder per WhatsApp geschrieben, und das ist natürlich ein wunderbares Einfallstor für den vermeintlichen Narzissten, indem er geschickt und an den richtigen Stellen die Stichworte platziert, von denen er weiß, dass sie etwas bei dem Gegenüber auslösen und was sie dort auslösen.
Und da der vermeintliche narzisstische Missbrauch in den seltensten Fällen aufgearbeitet ist, steigen die meisten auf diese Provokationen ein und merken nicht, dass die anschließende Diskussion Stück für Stück von dem eigentlichen Problem ablenkt, bis es durch die ganzen Nebenkriegsschauplätze komplett aus dem Blickfeld geraten ist und vernebelt wurde. Und selbst wenn das Opfer dies bemerkt, verstrickt es sich doch so, dass am Ende die Kraft fehlt, sich noch in der eigentlichen Sache auseinanderzusetzen.
Hinzu kommt, dass sich viele, wenn sie anfangen zu begreifen, dass sie es möglicherweise mit Narzissmus zu tun haben, in permanenter Alarmbereitschaft befinden und versuchen, alles abzufedern und abzufangen, was der andere vermeintlich falsch gemacht oder auch gerade nicht gemacht hat. Aber so sehr ich diesen emotionalen Zustand nachempfinden kann und so sehr ich den Wunsch, das eigene Kind vor Gefahren aller Art beschützen zu wollen, verstehe, so sehr muss ich an dieser Stelle sagen, dass genau dies Teil des Problems ist. Denn wie wollen Sie nachweisen, dass das Kindeswohl gefährdet ist, wenn Sie proaktiv versuchen, all diese Gefahren aus dem Weg zu räumen, deren Ursache nicht Sie, sondern der andere Elternteil sind?
Verstehen Sie mich an dieser Stelle bitte nicht falsch. Ich möchte Sie nicht auffordern, Ihr Kind aktiv zu gefährden. Ich möchte vielmehr versuchen, Ihnen zu verdeutlichen, dass Sie der Gegenseite keine Fehler nachweisen können, wenn Sie schon im Vorfeld versuchen, für jeden Fehler des anderen Vorsorge zu treffen, oder versuchen, all diese Fehler im Nachhinein auszubügeln.
Um auch hier Missverständnissen vorzubeugen: Ich spreche hier nicht von Gefahren für Leib und Leben Ihres Kindes. Diese erfordern selbstverständlich umgehendes Handeln. In solchen Fällen begeben Sie sich bitte umgehend zu einem Arzt und lassen sie etwaige Verletzungen dokumentieren. Gleichwohl gilt auch hier, dass nicht jeder blaue Fleck für eine Kindeswohlgefährdung ausreicht.
Ich spreche vielmehr von ganz banalen, alltäglichen Dingen wie häufig nicht gemachte Hausaufgaben, wenn das Kind Zeit beim anderen Elternteil verbracht hat. Wenn Sie das immer auffangen und mit dem Kind nacharbeiten, wird niemand bemerken, dass da etwas im Argen liegt. Mir ist natürlich bewusst, dass das nicht spurlos an Ihrem Kind vorübergehen wird. Aber zum einen sind Kinder oft viel resilienter als man glaubt. Und zum anderen muss man hier in größeren Zeiträumen denken. Vor allem aber muss man lernen, taktisch und planvoll vorzugehen, und erkennen, dass jeder Fehler des anderen einem selbst, vor allem aber auch den Kindern, auf lange Sicht hilft. Dazu muss man aber auch Raum lassen, dass der andere Fehler machen kann.
Das Ganze hat darüber hinaus noch einen nicht zu unterschätzenden Nebeneffekt. Denn Narzissten haben in der Regel ein unheimlich feines Gespür für die Ängste und Sorgen des anderen. Und dieses Gespür setzen sie gezielt ein, um diese Ängste und Sorgen zu schüren und auf diese Weise ihre Zufuhr zu erlangen. Dafür werden dann auch die eigenen Kinder instrumentalisiert. Je weniger Sie aber Ihre Angst zeigen, je mehr Raum Sie geben und je gelassener Sie mit der Situation umzugehen lernen, desto uninteressanter wird dieses Spiel für den Narzissten werden.
Kommunikation einschränken, Verantwortung abgeben, durchhalten
Wie kann man all das erreichen? Zum einen, indem man sich frühzeitig professionelle Hilfe holt, sei es durch einen der unzähligen Coaches, die sich mit der Thematik Narzissmus befassen, oder, wenn es um juristische Fragen geht, durch einen Anwalt. Und wie immer gilt auch hier: besser zu früh als zu spät. Im Idealfall arbeiten beide Helfer zusammen.
Das wichtigste aber ist, die Kommunikation auf ein Mindestmaß zu beschränken, telefonischen Kontakt nur im absoluten Notfall und ansonsten nur schriftlich, vorzugsweise per Mail. Oft wird hier von Gerichten vorgeschlagen, dass man eine E-Mail-Adresse einrichtet, die nur zu dem Zweck dient, alle die Kinder betreffenden Dinge zu besprechen, aber eben auch nur diese Dinge. Das führt zum einen dazu, dass man auf etwaige Provokationen weniger spontan reagiert und eher noch einmal nachdenkt, was man selbst schreibt. Es führt aber auch zu weniger Provokationen, weil diese nachweisbar sind, im Gegensatz zu einem Gespräch unter vier Augen oder am Telefon.
Ebenso wichtig ist es, Verantwortung abzugeben. Wenn sich das Kind nicht bei Ihnen befindet, dann sind Sie nicht verantwortlich. Wie in dem obigen Beispiel mit den Hausaufgaben gezeigt, ist es nicht Ihre Aufgabe, die Versäumnisse und Fehler des anderen auf- und nachzuarbeiten. Es ist vielmehr Ihre Aufgabe, das zu dokumentieren und immer wieder anzusprechen, und zwar sachlich und in einer nachweisbaren Form dem anderen Elternteil gegenüber. Die Gerichte erwarten von beiden Elternteilen, dass sie sich zum Wohl der Kinder engagieren und einbringen. Sie erwarten aber nicht, dass der eine all das auffängt, was der andere in den Sand gesetzt hat.
Um all das zu bewerkstelligen und um das alles durchzuhalten, werden Sie einen Ausgleich brauchen. Auch deswegen müssen Sie Verantwortung abgeben und sich für sich selbst Freiräume schaffen. Zudem müssen Sie sich darauf einstellen, dass es nicht bei einem Verfahren bleibt. Denn das Thema Narzissmus und Sorgerecht bietet eine Vielzahl von Möglichkeiten, Machtspiele anzuzetteln. Aber jedes Verfahren, dass mit Bedacht und mit Kalkül angegangen wird und zu einer vernünftigen Lösung führt, ist ein weiterer Baustein zu einem langfristigen Erfolg, nämlich dem Wohl des Kindes.
Um zum Schluss also noch einmal auf die eingangs zitierte Redewendung zurückzukommen: Gehen Sie den Auseinandersetzungen aus dem Wege, die nicht zielführend sind, und fokussieren Sie sich auf das eigentliche Ziel, Ihren Kindern langfristig etwas Gutes zu tun, anstatt sich auf das Spiel einzulassen und blindwütig zurück zu beißen. Das erfordert Mut und viel Kraft, aber es lohnt sich.
Weitere Informationen
Das Internet ist voll mit Informationen zum Thema Narzissmus. Das werden Sie sicher schon wissen, andernfalls wären Sie nicht hier auf meiner Seite gelandet. Zum Thema Narzissmus und Sorgerecht möchte ich Ihnen an dieser Stelle zwei Videos auf YouTube verlinken, die noch einmal verdeutlichen, wie wichtig es ist, Ruhe zu bewahren.
Bei dem Video von Herrn Noack bin ich, was das Thema Narzissmus und Wechselmodell angeht, nicht ganz einer Meinung, aber seine sonstigen Ausführungen kann ich weitestgehend unterschreiben.
Das zweite Video finden Sie hier:
Oft stellt sich im Laufe des Gesprächs mit Mandanten heraus, dass einige der Problem weniger im rechtlichen Bereich liegt und hier eine psychologische Behandlung oder ein Coaching mehr bringen würde. In diesen Fällen verweise ich gerne auf Frau Madeline Hellmann, Heilpraktikerin für Psychotherapie.
Sollten Sie es noch nicht getan haben, möchte ich Sie noch auf meinen anderen Beitrag zum Thema Narzissmus aufmerksam machen, insbesondere zu den Punkten Prozesskosten- und Beratungshilfe. Den Beitrag Narzissmus und toxische Beziehungen finden Sie hier.
Wie bereits erwähnt, melden Sie sich bitte lieber zu früh als zu spät und nutzen Sie hierzu mein Kontaktformular. Alles weitere können wir dann gerne telefonisch besprechen.